Autofahren im Iran


Eigentlich ist der Iran ein Paradies für Overlander. Die Straßen sind meistens top und oft bis ins kleinste Dorf asphaltiert. Problemlos lassen sich überall traumhafte Stellplätze in der abwechslungsreichen Natur finden. Und die Iraner als Camper-Völkchen haben sogar viele offizielle Camping-Plätze, auf denen sich kostenlos Toiletten und Frischwasser finden…

Eigentlich. Wäre da nur nicht der autofahrende Iraner. Erst recht währende der zweiwöchigen Nowruz-Zeit, dem Neujahrsfest der Iraner im März. Denn so höflich, hilfsbereit und liebevoll der Iraner an sich auch ist, genauso schnell vergisst er seine Manieren sobald er hinterm Steuer sitzt. Die iranische Fahrweise lässt sich ohne Untertreibung als gehirnamputiert beschreiben. Dabei ist es nach meiner Einschätzung nicht mal böse gemeint. Und auch nicht so aggressiv wie der gemeine Russe. Ich glaub, der Iraner fährt einfach völlig sorg- und gedankenlos. Das wird schon klappen…

Sind auf einer Landstraße unendlich viele Fahrzeuge aneinander gereiht, dann wird der Iraner Leib und Leben riskieren, um das Fahrzeug vor ihm zu überholen. Herzlichen Glückwunsch zu den gewonnenen zwei Sekunden. Ich schau mir dann gerne diese wahnsinnigen Fahrer an und hab anfangs spätpubertierenden Jungspunds erwartet, die beweisen wollen, dass sie schon groß und mutig (oder blöd) sind. Aber weit gefehlt. In der Regel sind das völlig harmlos dreinschauende Papis, bei denen häufig der jüngste Spross sogar auf dem Schoß sitzt und Papa vom Telefonieren oder Teetrinken ablenkt. Auf dem Beifahrersitz finden sich meistens die tiefenentspannte Mama und der wild rumturnende zweitjüngste Spross der Familie. Die Rückbank ist gefüllt mit Oma, drei weiteren Kindern und allerlei Gerümpel. Was man eben so zum Campen braucht. Alles was nicht ins Auto passt wird aufs Dach geworfen und mit der dünnsten Schnur, die man im Haus finden kann, festgezurrt. Würde die gern mal so durch Deutschland juckeln sehen wollen. Da hätte ein deutscher Ordnungshüter ordentlich zu schreiben…

Die Krönung hab ich vor einigen Tagen in den verschneiten Bergen im Nordosten des Landes erlebt. Der Schnee nahm laufend zu und die Sichtweite ab, so dass man schon genug mit sich selbst zu tun hat. So sitz ich hochkonzentriert mit weit aufgerissenen Augen und bei gemäßigter Geschwindkeit hinterm Steuer. Der Iraner scheint von diesen leicht veränderten Witterungsbedingungen nichts mitbekommen zu haben. Zumindest haben diese keine Auswirkungen auf seinen Fahrstil. So werde ich bei einer Sichtweite von unter 50 Metern und direkt vor einer Kurve (aber das ist bei der Sicht dann auch egal) mit einem Affenzahn überholt. Ich will mir den Wahnsinnigen anschauen und erkenne nur ein etwa zwanzig Zentimeter großes Guckloch in der Frontscheibe. Alles andere ist beschlagen oder voller Schnee. Nur wenig später kommt mir ein Motorradfahrer entgegen. An die Tatsache, dass auf dem Land häufiger Zehn- oder Zwölfjährige auf den Bikes unterwegs sind, hab ich mich inzwischen genauso gewöhnt wie an das offensichtlich bestehende Recht, dass man außerhalb von Teheran keinen Helm tragen muss. Genauso dieser Knirps. Statt des Helms trägt er einen wild flatternden Schal. Und weil er sich bei der Saukälte nicht die Hände abfrieren will steckt er die lieber in die Jackentasche und fährt freihändig. Okay, es ist Zeit für ne Pause…

Das Auto wird dabei genauso wenig geschont wie meine Nerven. Sind vor einem iranischen Fahrer 100 Meter frei, wird sofort das Gas getreten. 2, 8 Sekunden später muss er natürlich gleichermaßen auf die Bremse latschen. Beim Einparken hintereinander fährt man so lange bis man die Stoßstangen der anderen Autos berührt. Und parkt man nebeneinander werden die Türen einfach aufgerissen und knallen an die anderen Autos. Für die Iraner alles kein Thema. Ist ja nur ein Auto. Ich bekomm jedes Mal ne Krise. Und als Ausländer in einem ausländischen Gefährt ist es gleich doppelt schwer. Wird man als Ausländer erkannt, folgt nicht selten der Versuch einer Kontaktaufnahme. Ein fröhliches „Welcome to Iran“ lass ich mir ja gern gefallen. Mit der Zeit hab ich mir allerdings eine allzu freudige Reaktion abgewöhnt, da dies den Iraner zu weiteren, nicht ungefährlichen Manövern motiviert. So wird z. B. ganz gern versucht, kleinere Geschenke während der Fahrt zu übergeben. Oder man wird auf mehrspurigen Straßen immerzu euphorisch umkreist, um auch ja alle Seiten des ausländischen Kfz gesehen zu haben. Der Mindestabstand wird dabei auf wenige Zentimeter runter geschraubt. Nicht selten wird man per Handzeichen aufgefordert zwecks einer intensiveren Unterhaltung anzuhalten. Und zwei Mal bin ich geradezu auf offener Strecke ausgebremst worden. Kein Scheiß. Es ist kein Wunder, dass der Iran in der Unfallstatistik zu den Top 5-Ländern weltweit gehört. In den letzten Tagen hab ich jeden Tag mindestens einen Unfall gesehen. Dazu noch so ca. fünf Beinahe-Unfälle, die in letzter Sekunde verhindert wurden. Aber glaub mir, die Iraner sind ansonsten echt nett…

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